DU BIST JA EIN SEELCHEN!
DAS DARFST DU SEIN.

Seel¬chen, das

Wortart: Substantiv, Neutrum
Aussprache, Betonung: Seelchen
Rechtschreibung, Worttrennung: Seel|chen
Bedeutungen (2): 1. Verkleinerungsform zu Seele; 2. psychisch wenig belastbarer, sehr empfindsamer Mensch

Als Seelchen wird oft jemand bezeichnet, der sich nach außen empfindsam zeigt. Das allein wäre eigentlich eine gute Sache, wenn da nicht die Bedeutung von „Du bist aber empfindlich!“ im negativen Sinne mitschwingen würde. Empfindlich, nicht belastbar, jemand der nichts aushält und Schwäche zeigt – oder jemand, der einfach anders reagiert als wir es erwarten? Auch und besonders Kinder sind in ihrem Werden und Wachsen vielen Veränderungen ausgesetzt. Wenn Eltern und Bezugspersonen, Erzieher*innen und Lehrer*innen die Not des Kindes anerkennen und darauf angemessen reagieren, ist dem seelischen Gleichgewicht mehr geholfen als mit einem „Du bist aber empfindlich!“.

Thomas Ellerkamp, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Dipl.-Musiktherapeut aus Ulm, weiß um die Herausforderungen, die sich den Eltern stellen. Seinen eigenen Kindern in den verschiedenen Entwicklungsstufen eine emotionale Stütze zu sein bedeutet für Mütter und Väter täglich neu zu lernen, worauf es gerade ankommt und geplante Wege auch mal spontan zu verlassen. Was bei ersten Kind gut funktioniert, kann beim zweiten schon völlig daneben liegen, und das dritte Kind fordert noch einmal eine ganz neue Lösung.

Kommen wir alle seelisch gesund und mit den gleich guten Voraussetzungen auf die Welt?

Selbst bei neugeborenen Kindern kann man merken, dass sie völlig verschiedene Charaktere haben, verschiedene Veranlagungen mitbringen. Sie gehen ganz unterschiedlich mit der Aufgabe um, sich mit der Umwelt zu verbinden und sich anzupassen. Manche Neugeborenen bekommen es gut hin, andere sind schneller irritiert und regen sich auf. Ich würde hier nicht schon zu Beginn von einer Störung sprechen, aber die Unterschiede sind vorhanden.

Wozu brauchen wir seelische Gesundheit?

Etwas ganz Wichtiges im Leben ist die Resilienz, also die Fähigkeit, auf Krisen und Herausforderungen angemessen zu reagieren und damit umzugehen. Um das gut hinzubekommen, benötigen wir seelische Gesundheit. Ebenso ist sie wichtig für die Emotionsregulation. Die seelische Gesundheit wirkt sich darauf aus, ob wir die Art, Intensität oder Dauer unserer Emotionen sinnvoll beeinflussen und sie angemessen ausdrücken können.

Sollte die seelische Gesundheit genauso gepflegt werden wie die körperliche?

Es ist enorm wichtig, die seelische Gesundheit zu pflegen und zu erhalten. Das sollte im Alltag nicht in den Hintergrund treten.

Was können Eltern für das seelische Gleichgewicht ihrer Kinder tun?

Hier kommt es natürlich sehr auf das Alter und die Disposition des Kindes an. Im Kindergartenalter zum Beispiel ist ein großes Thema der Prozess der erstmaligen Ablösung von den Eltern, wenn das Kind morgens in den Kindergarten geht. Eltern haben dabei die unbedingte Aufgabe, das Kind zu unterstützen und zu ermutigen, gleichzeitig aber nicht zu überfordern. Hier sind wir wieder bei den unterschiedlichen Voraussetzungen, die jeder Mensch mitbringt. Manche Kinder haben mehr Angst als andere, sind scheuer und suchen und brauchen mehr Bindung zum Elternteil, während andere mutiger sind. Das fordert Eltern unterschiedlich heraus. Wer ein Kind hat, das schüchtern oder ängstlich ist, ist hier natürlich mehr gefragt und muss sich mehr Gedanken machen. Vielleicht ist auch mehr Flexibilität gefragt und man muss sagen „Ok, das klappt nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte, mein Kind braucht mich jetzt mehr als ich dachte.“ Auch wenn der eigene Plan ein anderer war – sich in solch einer Situation auf die Bedürfnisse seines Kindes einzulassen, fördert dessen seelische Gesundheit.

Und es gibt Kinder, die haben andere Themen. Sie regen sich oft auf, testen Grenzen aus, geraten schnell in Streit, verhalten sich oppositioneller, zeigen also häufig Ablehnung oder Widerstand, gegenüber Eltern oder Betreuungspersonen. Hier brauchen die Kinder für ihr inneres Gleichgewicht eine ganz besondere Klarheit von außen.

Sobald die Grundschule beginnt, sind die Kinder aufgefordert, sich geistig längere Zeit dem zuzuwenden, was sie von Lehrerin und Lehrer vermittelt bekommen. Konzentration, Sozialverhalten, Integration in eine Gruppe sind unerlässlich. Das ist eine anstrengende und von Veränderungen geprägte Zeit, die sich auf die seelische Gesundheit von Kindern auswirken kann. Eltern spüren es meist, wenn das Kind „anders“ ist als sonst. Es können sich jedoch auch konkrete Veränderungen zeigen wie auffälliges Verhalten in bestimmten Situationen, ein Stimmungseinbruch, Verweigerung.

Welchen Weg können Eltern einschlagen, die eine Veränderung an ihrem Kind feststellen und sich Sorgen machen?

Als Familie hat man selbst sehr gute Ressourcen. Man sollte auf seine stabile Beziehung zum Kind setzen und fragen „Was ist los, hast du Kummer, was macht dir zu schaffen?“. Oft gibt es auch schon eine Idee, man denkt sich, daran könnte es liegen. Betreuungspersonen in Kindergarten und Schule sind ebenfalls gute Ansprechpartner. Es kann sehr hilfreich sein, deren Eindruck vom Kind zu hören. Freunde oder Verwandte, die das Kind gut kennen, können mit einbezogen werden. Es ist immer gut, sich mehrere Seiten anzuschauen.

Wenn man dann merkt, man kommt hier nicht weiter, das Problem bleibt längere Zeit bestehen und belastet die Familie, kann man eine Beratungsstelle aufsuchen oder andere Fachpersonen wie Schulpsychologen, Vertrauenslehrer, Schulsozialarbeiter.

Im Gespräch mit obacht war

Thomas Ellerkamp, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Dipl.-Musiktherapeut (Fh), Ulm

www.praxis-ellerkamp.de

Manuela Subba

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